Steht einem Vermieter ein Anspruch auf Besichtigung einer Wohnung auch dann zu, wenn der Mieter psychisch krank ist und eine Besichtigung das ernsthafte Risiko einer Gefährdung des Mieters mit sich bringt?
Grundsätzlich hat der Vermieter gegenüber dem Mieter keinen Anspruch auf Besichtigung der Wohnung. Die Wohnung wurde dem Mieter ja gerade zum exklusive Gebrauch überlassen. Zudem schützt das Grundgesetz die eigene Wohnung besonders. Der Mieter hat das Recht, in diesen Räumen „in Ruhe gelassen zu werden“, so das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1989.
Der Vermieter kann gleichwohl ein Recht auf Besichtigung der Wohnung haben, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt. Im vorliegenden Fall strebte der Vermieter den Verkauf der Wohnung an. Hierfür wollte er die Wohnung mit Makler und Interessenten besichtigen. Das Besichtigungsrecht ergibt sich bereits als Nebenpflicht aus § 242 BGB. Im vorliegenden Fall ergab sich ein solcher Anspruch überdies aus dem Mietvertrag.
Dieser Anspruch gilt aber nicht uneingeschränkt. Diese Interessen des Vermieters können unter besonderen Umständen – ausnahmsweise – eine Beschränkung erfahren, wenn der Mieter durch die Besichtigung der Wohnung der Gefahr schwerwiegender Gesundheitsbeeinträchtigungen oder gar einer Lebensgefahr ausgesetzt und damit in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beeinträchtigt ist.
Im vorliegenden Fall kann das Gericht also durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass kein Anspruch des Vermieters auf Besichtigung besteht. Die Mieterin leidet seit über zwanzig Jahren an einem komplexen psychischen Störungsbild mit depressiven Verstimmungszuständen, Ängsten, Zwängen und dissoziativen Störungen mit der Wohnung als einzigem Rückzugs- und „Schutz“-Raum. Nach psychiatrischer Begutachtung musste das Gericht davon ausgehen, dass bereits eine drohende Besichtigung, erst Recht bei der Durchsetzung des Besichtigungsanspruchs ein hohes Risiko für Handlungen mit einer erheblichen Gesundheitsgefährdung bis hin zum Suizid bestehe.
Dies könnte im Extremfall dazu führen, dass das Besichtigungsrecht des Vermieters dauerhaft ausgeschlossen ist. Der Verkauf einer Wohnung wäre dann deutlich erschwert und könnte unter Umständen nur unter Hinnahme eines geringeren Verkaufspreises realisiert werden. Ein solcher Eingriff in das Eigentum des Vermieters muss im Einzelfall hingenommen werden.
Die Abwägung der widerstreitenden Interessen von Vermieter und Mieter sind in einem solchen Fall für das Gericht besonders anspruchsvoll. Der BGH kam zum Ergebnis, dass das Landgericht nicht alle Aspekte ausreichend abgewogen habe. Insbesondere habe es nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Mieterin sich im Falle einer Besichtigung durch eine Vertrauensperson oder einen Rechtsanwalt vertreten lassen könne. Hierin sah der BGH einen Rechtsfehler, der zur Zurückverweisung der Sache geführt hat.
BGH, Urteil vom 26. April 2023 – VIII ZR 420/21 –