Der BGH hat in seinem Urteil vom 27. September 2023 seine Rechtsprechung zur Untervermietung von Wohnraum bestätigt und wieder einmal das Landgericht Berlin korrigiert.
Die Weiternutzung einer Wohnung als Nebenwohnsitz aus beruflichen Gründen stellt demnach ein im Rahmen des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB ausreichendes berechtigtes Interesse dar. Es kommt nicht darauf an, ob der Mieter auf die Nutzung der Wohnung aus beruflichen Gründen oder auf die Untermieteinnahmen zwingend angewiesen ist.
Der Fall
Der Mieter hat im Jahr 2014 eine Dreizimmerwohnung in Berlin angemietet. Nachdem er zunächst allein in die Wohnung eingezogen war, bewohnte er die Wohnung später zusammen mit seiner Familie. Nach der Geburt des zweiten Kindes zog die Familie ins Berliner Umland. Die dortige Wohnung liegt 17 Kilometer entfernt.
Der Mieter will die gemietete Wohnung in Berlin aus beruflichen und privaten Gründen weiterhin nutzen. Er übernachtet mehrmals wöchentlich in der Berliner Wohnung.
Die Vermieterin erteilte dem Mieter im Jahr 2019 zunächst eine bis zum 30. Juni 2020 befristete Erlaubnis. Spätere Begehren des Mieters auf Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis lehnte die Vermieterin ab.
Mit der vorliegenden Klage hat der Mieter die Vermieterin auf Zustimmung zur unbefristeten Untervermietung von je einem Zimmer der Mietwohnung an zwei namentlich benannte Personen in Anspruch genommen.
Das Urteil
Der BGH gab dem Mieter Recht, nachdem das Landgericht Berlin einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung der Untervermietung verneint hat.
Anspruch auf Erlaubnis der Untervermietung
Nach der Vorschrift des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis verlangen, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, wenn für ihn nach Abschluss des Mietvertrags ein berechtigtes Interesse hieran entsteht. Ein Interesse des Mieters in diesem Sinne ist schon dann anzunehmen, wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen. Als berechtigt ist dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats jedes Interesse des Mieters von nicht ganz unerheblichem Gewicht anzusehen, das mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Wunsch des Mieters nach einer Verringerung der von ihm zu tragenden Mietaufwendungen grundsätzlich als berechtigtes Interesse im Sinne der Vorschrift des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB an der Untervermietung eines Teils der Wohnung anzuerkennen. Denn der Gesetzgeber hat mit der Schaffung der Norm erkennbar unter anderem die Absicht verfolgt, dem Mieter eine Kostenentlastung durch eine Untervermietung zu ermöglichen.
Zur Beurteilung der Frage, ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, sind die tatsächlichen Umstände, auf denen der Wunsch des Mieters zur Aufnahme eines Dritten in die Wohnung beruht, unter Berücksichtigung des mieterschützenden Zwecks der Regelung des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB umfassend zu würdigen.
Mieterschutz auch für Nebenwohnung
Das Landgericht Berlin hat bereits im Ausgangspunkt verkannt, dass ein berechtigtes Interesse des Mieters im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht voraussetzt, dass dieses Interesse im Wesentlichen den fortdauernden Bestand seines Hauptwohnsitzes betreffen, hiermit in Zusammenhang stehen oder diesem im Gewicht gleichkommen müsse.
Der Senat hat bereits entschieden, dass § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB keine qualitativen Anforderungen bezüglich der verbleibenden Nutzung des Wohnraums durch den Mieter aufstellt. Vielmehr ist der Anspruch auf Gestattung der Untervermietung lediglich vom Vorliegen eines berechtigten Interesses des Mieters sowie davon abhängig, dass er nur einen Teil des Wohnraums einem Dritten überlässt. Von der „Überlassung eines Teils des Wohnraums an Dritte“ ist dabei regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt. Hierfür genügt es jedenfalls, wenn er ein Zimmer einer größeren Wohnung zurückbehält, um hierin Einrichtungsgegenstände zu lagern und/oder dieses gelegentlich zu Übernachtungszwecken (Urlaub, kurzzeitiger Aufenthalt) zu nutzen. Daher ist nicht erforderlich, dass die Wohnung auch nach der Untervermietung Lebensmittelpunkt des Mieters bleibt.
Eigentümerinteressen nachrangig
Zum Schutz gegenläufiger Belange des Vermieters sollte der Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung an Dritte dann ausgeschlossen sein, wenn sie dem Vermieter wegen eines wichtigen Grundes in der Person des Untermieters, wegen einer Überbelegung des Wohnraums oder aus sonstigen Gründen nicht zuzumuten ist. Ferner wurde dem Vermieter für den Fall, dass die Untervermietung nur bei einer angemessenen Erhöhung des Mietzinses zuzumuten ist, die Möglichkeit eingeräumt, die Erlaubnis zur Untervermietung davon abhängig zu machen, dass der Mieter sich mit einer solchen Erhöhung einverstanden erklärt, § 549 Abs. 2 Satz 2 BGB alter Fassung (aF).
Nach der gesetzgeberischen Wertentscheidung gehen daher die berechtigten Interessen des Mieters den Interessen des Vermieters grundsätzlich vor. Sie haben nur dann zurückzustehen, wenn die beabsichtigte Gebrauchsüberlassung für den Vermieter unzumutbar wäre. § 549 Abs. 2 BGB aF war demnach nicht als Ausnahmevorschrift konzipiert.
Die zu § 549 Abs. 2 BGB aF angestellten Erwägungen sind auch für die Auslegung der nahezu gleichlautenden Bestimmung des § 553 BGB maßgebend. Der Gesetzgeber des Mietrechtsreformgesetzes wollte die bisherige Rechtslage übernehmen.
Dementsprechend findet sich auch in den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber lediglich den Bestand eines einzigen Mietverhältnisses als schützenswert angesehen hätte. Vielmehr spricht bereits die dort an anderer Stelle hervorgehobene Mobilität und Flexibilität in der heutigen Gesellschaft, welche eine doppelte Haushaltsführung beispielsweise aus beruflichen Gründen häufig bedingen wird, gegen ein zu enges Verständnis des berechtigten Interesses des Mieters im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Schon weil der Mieter durch einen Mietvertrag nicht verpflichtet wird, in der Mietwohnung seinen Lebensmittelpunkt im Sinne des Hauptwohnsitzes zu begründen, sondern es seinen persönlichen Vorstellungen und seiner freien Entscheidung überlassen ist, wo er im herkömmlichen Sinne wohnt, kann das Fortbestehen des Hauptwohnsitzes beziehungsweise ein Zusammenhang hierzu nicht Voraussetzung für das Vorliegen des von ihr geforderten berechtigten Interesses sein. Es wäre vielmehr – was das Berufungsgericht verkannt hat – wertungswidersprüchlich, angesichts des von § 553 Abs. 1 BGB verfolgten Zwecks des Erhalts einer Wohnung für den Mieter für dessen berechtigtes Interesse Anforderungen aufzustellen, die in dem ursprünglichen Mietverhältnis keine rechtliche Grundlage finden.
Keine Notwendigkeit der Untermieteinnahmen erforderlich
Anders als das Landgericht offenbar gemeint hat, kommt es nicht darauf an, ob der Mieter auf die fortdauernde Nutzung der Wohnung aus beruflichen Gründen oder auf die Erzielung von Einnahmen aus der Untervermietung zwingend angewiesen ist.
Das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Mieters im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB erfordert nicht, dass es dem Mieter bezogen auf die konkrete Höhe seiner Einkünfte und seines Vermögens nicht möglich ist, das Mietverhältnis auch ohne die Inanspruchnahme von Untermieteinnahmen fortzusetzen. Aufgrund des mieterschützenden Regelungszwecks der Norm reicht vielmehr jedes nachvollziehbare Interesse an einer finanziellen Ersparnis aus.
Bequemlichkeit ausreichender Grund
Gleiches gilt auch für die fortdauernde Nutzung der Wohnung als Nebenwohnsitz. Auch in diesem Zusammenhang ist nicht erforderlich, dass der Mieter auf die Nutzung der Wohnung als Nebenwohnsitz aus beruflichen Gründen, die das Berufungsgericht zu Unrecht als bloßen Komfortzuwachs abgetan hat, zwingend angewiesen ist.
Kein Schutz eines übergeordneten sozialen Interesses
Das Landgericht Berlin hat ausgeführt, dass die Erzielung von Untermieteinnahmen zum Unterhalt mehrerer Mietobjekte jedenfalls in Lagen angespannter Wohnungsmärkte wie Berlin im Widerspruch zur geltenden Sozialordnung stehe, weil für den Untermieter nicht der gleiche Bestandsschutz bestehe wie für den Hauptmieter und der Untervermieter auch hinsichtlich der Miethöhe von den bei einem regulären Wohnraummietverhältnis geltenden Beschränkungen weitgehend befreit sei. Eine von einem Mieter unter regulären Bedingungen angemietete Wohnung bleibe dem primären Wohnungsmarkt damit auch dann entzogen, wenn der Mieter seinen Lebensmittelpunkt dauerhaft von dort verlegt habe, und könne auf einem so geschaffenen zweiten Wohnungsmarkt unter Aushebelung des sozialen Mietrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom Mieter frei vermarktet werden.
Diese Argumentation hat der BGH zurückgewiesen.
Ein berechtigtes Interesse des Mieters im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt nach ständiger Rechtsprechung des Senats zwar voraus, dass dieses mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang steht.
Diese Voraussetzung ist jedoch nicht bereits deshalb zu verneinen, weil der (Haupt-)Mieter einer (in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegenden) Mietwohnung bei einer Teilüberlassung des Gebrauchs im Wege der Untervermietung nicht den gleichen rechtlichen Beschränkungen unterliegt wie ein regulärer Vermieter.
Die Untervermietung als solche ist im Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs anerkannt. Der Umstand, dass der Untermieter im Vergleich zum Hauptmieter einen geringeren Bestandsschutz genießt (§ 573a Abs. 2, § 546 Abs. 2 BGB), beruht auf entsprechenden gesetzgeberischen Wertentscheidungen. Gleiches gilt, soweit dem Untermieter bei preisfreiem Wohnraum (für öffentlich geförderten Wohnraum vgl. § 21 Wohnungsbindungsgesetz) infolge des § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Vorteil der Anwendungen der Vorschriften über die Miethöhe bei Mietbeginn in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (§§ 556d bis 556g BGB) beziehungsweise über die Mieterhöhung (§§ 557 bis 561 BGB) nicht zukommt. Die Frage, ob die Konsequenzen, die sich aus der Kombination eines Anspruchs auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung an Dritte mit den auf Untermietverhältnisse anwendbaren Vorschriften ergeben, gesellschaftlich oder wohnungspolitisch unerwünscht sind, ist im Grundsatz rechtspolitischer Natur und kann dem (Haupt-)Mieter nicht entgegengehalten werden.
BGH, Urteil vom 27. September 2023 – VIII ZR 88/22 –